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October 1893. :^()l998 V -'•/tr^SlTY OF Perception ist die erste Bedingung der Eatwicklung; ohne Perception keine Civilisation. enn es an und für sich ein Wagniss ist, ein Thema zu behandeln, welches von einem so ausgezeichneten Gelehrten, wie Ernst R. v. Brücke, ebenso genial als mustergiltig bearbeitet worden ist, so erscheint •der Versuch, denselben Gegenstand weiteren Untersuchungen zu unterziehen, umso misslicher, als man ohne es zu wollen, Autoritäten, wie Brücke, und einer Unzahl Professoren, Grammatikern und Dichtern gegenüber gestellt wird. Die Principien der Metrik und Prosodie sind, wie v. Brücke «agt, selbst noch strittig, und es ist das Gebiet der Physiologie, auf welches ich hinweisen werde, noch ziemlich unerschlossen, •so dass gerade bei diesbezüglichen Beobachtungen Fehler und Irrthümer möglich sind, deren Tragweite wir noch gar nicht ermessen können, und für deren Grösse wir ebenfalls keine Correctursfactoren einzustellen im Stande sind. Gleichwohl habe ich es unternommen, über das vorliegende Thema Untersuchungen anzustellen und hiemit das Resultat meiner Studien zu veröffentlichen, welches als Beitrag zur Lösung dieser schwierigen Frage angesehen und beurtheilt werden möge. Die Beobachtungen, welche ich in der Folge citire, habe ich mit grösster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit durchgeführt. Da mir jedoch bessere Instrumente nicht zur Disposition standen, war ich genöthigt, meine Beobachtungen einzu- schränken und auf die Registrirmethode zu verzichten; d. h. ein empirisches, mehr vergleichendes Verfahren, ohne Apparate einzuschlagen, und durch die grosse Zahl der Beobachtungen die Unvollkommenheit dieser Methode zu compensiren, indem dch nur die überwältigende Majorität der positiven Ergebnisse — 6 — als entscheidend betrachtete. Diese Beobachtungs weise war jedoch so einfach und unauffällig, dass ich sie stets und unter allen Umständen durchführen konnte, ohne an Ort und um- ständliche Apparate gebunden zu sein. Die Bildung des Versmasses und dessen Wesen, die Art der Strophen und alle sich daran knüpfenden Combinationen. und Variationen, welche sozusagen ein Schema seines Baues bilden, lasse ich hier ganz unberücksichtigt, da dies nicht eigentlich zur Poesie gehört und mit der Begründung der Periode nichts zu schaffen hat. Es ist dies nur die der In- dividualität des Dichters entsprechende Ausnützung einer natürlichen Periode, und die sich daraus ergeben^de Vari^itton- im Tonfalle, — der Acceleration der Sprache. So wie sich die- Harmonie mit der Melodie nur insoweit befassen kann,; als letztere harmonisch sein muss^ so ist es auch mit dem Aufbau des Verses. Ein . Gerippschema aufzustellen^ nach welchem der Dichter seine Lieder baut, erscheint mir so, als wollte man. nach Schablonen zeichnen und den Gedanken des Dichters in. > .■ . ■ ■ ■ " ■ diesem, , von der Metrik vorgeschriebenen Strpphenbau,; wie in einen Model pressen wollen. Gute Dichter haben« sich wßnig um die «Regeln» gekümmert; indessen wollen wir aller- dings eiiigestehen, dass sich Dichter durch die Regeln der .Metrik bilden und läutern können, wenn sie schon «Dichter» 3ind; z, B. Platen war ein guter Metriker und wird zu den guten Dichtern gezählt, indessen entbehren diese so schon und musterhaft gebauten Lieder jenen Reiz, welchen wir von Dichtungen erwarten; Platen wird auch selten gelesen. Er schrieb eben mehr Metrik als Lied. Goethe, Schiller, Heitie, Lenau, Körner hingegen sind Dichter, die sich mehr an die- Natur hielten; diese werden auch von Jedem mit Freude und Genuss gelesen. Sie sind Volkseigenthum geworden. Die Sprache hat ihre Regeln nur dem Gebrauche und der Ueberlieferung entnommen* Diese haben wohl keine eigent- liche Grundlage, als die durch Erziehung octroyirte Logik. Der Tonfall, der Sprache und der Zeitwerth der Laute stehen schon auf einem, etwas weniger problematischen Boden, als die Sprachregel an- sich, da die Lautbildung, von \^elcher Ton und Zeit abhängig sind, sich auf ganz bestimmte und unwandel- bare physiologische Vorgänge und physikaliche Gesetze stützt; diese Abhängigkeit übt auf die Grrammatik einen wöhlthätigea — 7 — Einfluss aus, indem der Gebrauch gewöhnlich aus solchen von der Natur gebotenen Momenten motivirt wird. Der Ton fall und der Zeitwerth geben an und für sich schon Prämissen für musikalische Gesetze ab, diese letzteren Momente geben der Grammatik sozusagen ein reelles Gerippe. Die Prosa (ungebundene Rede) unterscheidet sich von der gebundenen Rede dadurch, dass sie Ton und Zeit weniger berücksichtigt und eine regelmässige Periodenfolge nicht kennt. Ihr genügen die grammatikalischen Regeln, d. h. die durch den Gebrauch sanctionirten Formeln. Das Metrum lehnt sich an die Musik an und dürfte früher wohl jedes Gedicht ein Lied gewesen sein, d. h. ent- weder ein Gesang oder eine von Musik begleitete Recitation, indem die Musik die Periode des Verses unterstüzte. Aus der Periode des Tonfalles geht wohl der Anfang jeder Musik hervor. Beweis dessen ist die ausserordentlich monotone Musik der Wilden, welche hauptsächlich in einem periodischen Trommelschlagen besteht. Alles Andere, mit dem das Inter- vall dieser Periode ausgefüllt wird, ist für uns Geschrei und Lärm. Eine die Recitation unterstützende Musik ist dem Charakter der Dichtung stets angepasst und es geht Eines aus dem Anderen hervor, es gehört zusammen. Schon der Umstand, dass z. B. im Altdeutschen ein Aus- druck für Gedicht nicht existirt, und «Lied» für Alles ge- braucht wird, was nicht Prosa ist, weist auf den Zusammen- hang der musikalischen und metrischen Periode hin; auch der ausgedehnte Gebrauch des Stabreimes, der Alliteration, bekräftigt diese Ansicht. Der Reim ist nicht unter allen Umständen nothwendig, aber wo er ist, wird er nur dann gut klingen, wenn er mit einer Periode, einer . Wie gross kann die Zeit der Arsenperiode sein? 4. Wie kann diese Zeit abgeschätzt und beurtheilt werden? Hier hat man es freilich auch mit zwei ganz differenten Um- ständen zu thuh. Erstens ist die Wirkung psychologisch, d. h. der Sinn des Gehörten ist der Geistesrichtung adäquat oder nicht, so z. B. wird auch eine schlechte patriotische Dichtung unter Patrioten Anklang finden und hinreissen.* Der schlechte Vers, das Hinken und Stolpern tritt ganz in den Hintergrund, denn hier beherrscht schon die vorgefasste Idee den Sinn. Dem Nichtpatrioten und Chauvinisten — oder Phlegmatiker — ist das ganz einerlei, er hört nur die lächerlichen Verse. Diese psychologische Wirkung lassen wir hier ganz bei Seite, es genügt uns darauf hinzuweisen, dass die Psyche der Aus- druck für die Gesanimtfunction des Körpersystems ist und als solche sich in der Gehirn thätigkeit äussert, dass letztere durch Erziehung und Züchtung beeinflusst werden kann, und ihrerseits physiologisch, d. h. auf den Körper zurückwirkt. Die zweite Wirkung ist eine rein physiologische, eine objective — hier ist ganz einerlei, wie und was man zu hören bekommt — es ist nur die Rückwirkung des Sinnenreizes zu betrachten. Wir können daher den Tonfall der Arsenintervalle einer gebundenen Rede, von den, den Begriff tragenden Worten loslösen, ihn an unarticulirte Laute binden und nunmehr die Wirkung des Tonfalles — dieser Periode an sich — auf den Körper studiren, welches Verfahren v. Brücke zuerst einge- schlagen hat. Dass eine periodische Schallerregung auf den Körper ganz bestimmte Wirkungen hervorbringt, geht schon aus der * Siehe diesbezüglich Seile 43 u. IF. - 11 — historischen Thatsache herv.or, dass man der Musik eine- Heilwirkung zuschreibt, ganz abgesehen davon, dass bei richtigem Einhalten der Intervalle — als Tact oder Trommel- schlag — ^ ein angenehmes Gefühl hervorgerufen wird, finden wir den Glauben an die Therapie der «Musik» noch heute sehr verbreitet. Geradezu charakteristisch ist das periodische Trommelschlägen der Schamanen (Priester, Zauberer, Medicin- männer)^ bei den Tartaren, Samojeden, Jakuten, Tschukschen,. Loucheüx-Indianern u. s. w., welches zu dem Heilverfahren gehört (s. Hartwig's Hohe Norden u, a. O.) oder wie sich Hartwig ausdrückt, «welchem eine Heilwirkung zugeschrieben wird». Die Districte, in welchen Hartwig allein diesen Gebrauch constatirte, umfassen halb Asien und Nordamerika, zu finden ist diese Art «Teufel- oder Pestaustreiberei» wohl in der ganzen Welt. Die Heilwirkung geht uns nichts an, wohl aber die Thatsache, dass den «wilden» Völkern, den Naturmenschen,, nicht entgangen ist, dass die Periode durch das Ohr auf den menschlichen Körper zurückwirkt. . Ich finde diesbezüglich eine längere, sehr lesenswerthe Uhtersuchung Dogiel's, dieser Rückwirkung der Musik auf den Körper, indem er Stellen aus Pythagoras und anderer antiker Forscher prüft, nach welchen die Musik bei der Heilung verschiedener Krankheiten nützen kann. Auf Dogiers Untersuchungen kommen wir noch einmal zu sprechen. * Wir können nun einen Vers, z. B. den alcäischen: der hier mit Strichen versinnlicht ist, anstatt durch Worte,. einfach durch Glockenzeichen zum Ausdruck bringen, wobei jede Länge (die schwere Silbe), also hier jede Arsis, durch einen kräftigeren Schlag hervorgehoben wird, oder auch wie Brücke es beim Registriren macht, die Silben durch gleich- lautende Vocal- und Consonantengruppen ersetzen. Das wäre also: bimbäm bambämbam i bambabam bämbabam was den Rhythmus dieser Strophe genau wiedergibt. Würde man diese rhythmische Lautcombination auf die registrirende * Archive für Physiologie und Anatomie. Jahr 1880, püg. 416. Dogiel^ Ueber den Einfluss der Musik auf den Blutkreislauf. — 12 — Trommel eines Kymographions übertragen, so erhält man -das in Fig. I dargestellte Bild (siehe Tafel am Schlüsse des Bandes), Brücke zeigt nun, wie die Abstände der Arsen stets gleich sind. Da der Zwischenraum der durch die Arsen hervorge- hobenen Silben (also hier die mit Accent bezeichneten Berge der Curve) immer derselbe ist, da die Registrirtrommel sich -mit einer stets gleichbleibenden Geschwindigkeit bewegt, so entsprechen hier auch gleiche Abstände gleichen Zeittheilchen. Bemerkenswerth an dieser Curve (Fig. I) ist, dass die Silbencombination der ersten Hälfte, bimbäm (w^ ) ebenso- viel Zeit zur Aussprache beansprucht, wie die viel längere zweite Combination: bämbabam ( ^^ s^) (die Abtheilungen -a, b,. c, d sind gleich gross). Die Metrik stellt die Regel auf, dass die Zeit, welche •eine «kurze » Silbe zur Aussprache beansprucht, einer More gleich sei und dass eine lange Silbe zweimal so lange sei, also zwei Moren dauere. Demnach müssten, wenn man auf •diese Regel, der Zeitwerthe von Silben, Rücksicht nähme, die JSilben bambäm drei, bämbabam hingegen vier Moren Zeit beanspruchen, da bam als unbetont kurz (v^) erscheint und von Brücke auch kurz gesprochen wird, was aus der Bezeich- «lung hervorgeht. Wir sehen aber an der Kymographioncurve, dass beide Combinationen gleich viel Zeit beanspruchen, daher -die zweite Silbenreihe auch nur mit drei Moren Zeitwerth, also rascher gesprochen wurde als die erste. Wäre die Regel der More richtig, oder würde man die Regel der Moren berücksichtigen, müsste man bämbabam etwas langsamer sprechen als bämbam. Ein Versuch wird lehren, wie störend das klingt. Drehen wir nun den Vers um, so lautet er: bämbabam bämbabam bimbam bambambam und wir erhalten beim Registriren etwa die Curve Fig. 11. W ir haben hier die Combination bämbabam, wie ein Vergleich mit Curve I lehrt, absichtlich etwas länger gesprochen. Die Stücke (a — b) sind ebenfalls länger, die Abstände von Arse zu Arse sind aber dennoch gleich. Wir haben also die Silben himbam und bambambam nicht nur anders betont als früher, sondern auch verschieden bewerthet; ebenso wie wir früher - 13 - bambambam verkürzt haben, haben wir jetzt bimbam und bambam in die Länge gezogen. Auf die Thatsache solcher Werthänderungen derselben Silben bei verschiedenen Stellun- gen und die Abhängigkeit. dieser von vorhergehenden Com- binationen macht v. Brücke wiederholt aufmerksam und be- nützt sie zur Werthbestimmung derselben bei gemischten« Metren, wenn z. B. auf Jamben Trochäen folgen n. s. w. Wäre diese Verschiebung eine willkürliche, so würde das Thema erledigt sein oder eigentlich gar nicht weiter discussionsfähig ; wäre sie eine durch Erziehung und Drill erzwungene, so würde eine diesbezügliche Erörterung ebensa zwecklos sein. Aber verschiedene Leseversuche belehren uns, dass jede dieser Combinationen eine solche und keine andere Lesart verlangt und dass sie natürlich ist, zeigt schon der Umstand, dass die Kinder beim Declamiren, die Verse mit einer fabelhaften Regelmässigkeit herunterleiern, also dies keine anerzogene Thatsache ist. Es ist demnach unstreitig, dass der Mensch die zeitweilige Intervalle fühlt und eine Unregelmässigkeit sehr genau abzu- schätzen im Stande ist, also Zeitdifferenzen empfindet, und» endlich, dass Etwas uns noch nicht Bekanntes die jeweilige Grösse der Arsenintervalle bedingt. Die Erfahrung lehrt uns^ aber, dass nichts schwieriger ist, als das bewusste Schätzen* der Zeit. Ja, dass wir kaum im Stande sind, eine präcise Definition der Zeit zu geben. Wenn man so weit geht, die Zeit blos als Begriff, d. h. als Vorstellung anzusehen, so ist dies ein sehr bequemes Verfahren, um einer verwickelten philosophischen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Die Philosophie kann sich mit solchen Utopien nicht ab- geben, werthvoU ist sie nur, wenn sie die Entstehung solcher Begriffe erforscht. Wir haben uns in dieser Abhandluug zwar ein anderes. Ziel gesetzt, jedoch kann ich unmöglich das gegebene Thema, fortsetzen, ohne den Begriff der Zeit zu beleuchten, da sich daran weitere Folgerungen knüpfen. «Succession ist das Wesen der Zeit», sagt Schopenhauer.* Die Succession, die Aufeinanderfolge von Erscheinungen und Zuständen, das Zugleichseiii an einem bestimmten Orte, und * Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung I, § 4. — 14 - «der ganze Apparat^ welchen Schopenhauer (auf Grund be . währter Philosophen) in Bewegung setzt, gibt uns aber nicht die Handhabe der präcisen Bcgriffsbildung, welche wir suchen, iDurch den Begriff der Succession kann ich nur zur Vorstellung einer Reihe überhaupt gelangen, ganz einerlei, ob diese Zeit-, iHandlungs-, Zahlen- oder arithmetische, geometrische oder -was immer für eine Reihe sei. Erst der Vergleich zweier verschiedener Successions-Reihen kann zum Begriffe der Zeit führen (s. w. unten)* Schopenhauer fügt im Supplement, wo er über die Sinne spricht, hinzu: «Die Wahrnehmung des Gehörten, sei aus- schliesslich in der Zeit, daher das ganze Wesen der Musik im Zeitmasse besteht, als worauf sowohl die Quantität oder Höhe des Tones mittelst der Vibration, als die Qualität oder Dauer derselben mittelst des Tactes beruht». Nun, so ausschliesslich in der Zeit liegt das Wesen des Gehöres nicht. In wie weit die Zeit das Wesen — des Be- griffes, welches sich im Gehirn durch die Gehörempfindung herausbildet *— beeiriflusst, werden wir in der Folge sehen. Da die Zeit für uns in letzter Linie nur ein Begriff ist, wollen wir diesen feststellen. Sobald wir von der Philosophie des Begriffes ausgehen, entziehen wir dieser die reelle Basis. Indem wir uns Begriffe, Vorstellungen und Ideen bilden können, die überhaupt jeder öbjectiven Realität entbehren — Begriff wäre also im Ganzen und Grossen nur Idee (an sich), z. B. ; Gott ist eine Idee, aber> kein Begriff, da der Begriff auch das Vorhandensein des begriffenen Gegenstandes bedingt. Er ist an die objective Realität gefesselt. Es ist nun allerdings die ganze Aussenwelt nach Schopen- hauer nur eine Vorstellung des Individuums und daher die Auffassung, d. h. der Begriff der Welt ganz individuell, d. h. er ist bei Jedem anders (eine ewige Quelle des gegenseitigen Missverstehens 1). Zum Beispiel: Die Farbe, die ich roth sehe und nenne, ist für meinen Nachbar nicht dieses selbe- Roth, ja es kann ihm grün scheinen. Wogegen in der Natur an und für sich die Farbe als solche nicht existirt; aber es ist thatsächlich ein bestimmter Umstand, eine Causalität vor- handen, welche vom Auge percipirt, bei den meisten Menschen -die Vorstellung und den Begriff «roth» hervorruft. Der Begriff — 15 — «roth» liegt in uns -—■ die Causalität aber, welche denselben hervorruft, ausserhalb unserer Individualität und diese Cau- salität ist die Energiegrösse, welche dem, von dieser reflec- ti^enden Fläche ausgestrahlten Lichte innewohnt. Es besteht demzufolge zwischen den Begriffen des Individuums und der Causalität der Aussenwelt eine enge Beziehung, die wir durch Ausnützen aller Umstände, d. i. der Erziehung bis zu einer ganz ungewöhnlichen Vollkommenheit und Empfindlichkeit steigern können. Diese Causalität, welche entweder mittelbar oder unmittel* bar auf unsere Nerven einwirkt, erzeugt jene locale Reizung, durch welche die Perception zustande kommt. Das ganze Seelenleben, der Gedankengang, die Handlung, kurz Alles, was wir mit dem Namen des Lebens bezeichnen, knüpft sich nur an die Perception. Mit der Perception beginnt das animale Leben, sie ist der Schlüssel zum Intellect. Der heutige Archimedes würde sagen: Die Per- ception ist der Hebel, welcher die Menschen bewegt, ja erschafft. Erst mit der Perception kann die Se- lection beginnen. So wie wir unsere Erziehung und Bildung an die Ent- wicklung und Ausnützung der Perception knüpfen, muss auch jede naturgemässe Philosophie, jeder Forscher von diesem Umstände ausgehen, denn die ganze Entwicklung der geistigen Fähigkeit und Denkaction hat hier in d^r Perception ihren Causalnexus, umsomehr, als durch jede Perception dem Körper eine Energiegrösse durch den Nerv zugeführt wird oder durch dieselbe eine Nervenaction ausgelöst werden muss, wodurch eine Arbeit und zugleich ein Verbrauch, ein Umsatz der Materie bedingt wird. Es können demnach obgenannte Begriffe entweder direct oder indirect aus der Perception der Aussenwelt im Indivi- duum entstehen, d. h. sie sind entweder unmittelbar aus der Perception hervorgegangen, hart, weich, kalt, warm, hell, dunkel, oder es werden percipirte Begriffe zu einander in Relation gebracht: mittelbare oder relative Begriffe. Z. B.: Die Materie können wir nicht direct percipiren, wohl aber die Eigenschaften eines Körpers, als: Hart, weich, leicht, schwer, roth, blau, kalt, warm, lang, breit, hoch (die Form), kurz, dass es etwas ist, dass wir uns einem Objecte gegenüber — 16 — befinden; erst aus der Summe dieser Facloren formen wir uns den Begriff des Korpers und ferner der Materie als das, was dem Körper seine Realität verleiht. Wir sehen, dass Materie keine Fiction ist, sie ist ein Begriff, welcher aus direct per- cipirten Begriffen abgeleitet wurde. Das Ableiten, in Relation bringen, ist nicht Jedermanns Sache — kein Wunder, dass es Begriffe gibt, w^elche den meisten Menschen gar nicht zu- gänglich sind. Begriffe wie Materie, sind abgekürzte Aus- drücke, wie die algebraische Formel in der Mathematik. Ebenso wie wir uns das Reale der Körperlichkeit in der algebraisch- philosophischen Formel «Materia» abgeleitet haben, ebenso schaffen wir uns aus deren Ausdehnung jene Formel, welche wir Raum nennen, am körperlichen aber als Form percipiren. Wir können nun die Relationen der einzelnen errungenen Begriffe weitertreiben und daraus Ausdrücke höherer Ordnung schaffen, z. B.: wenn wir Raum und Materie mit einander in Beziehung bringen, so erhalten wir den Begriff der abso- luten Dichte, resp. des specifischen Gewichtes u. s. w. Wir wollen eine solche Reihe verfolgen. Nennen wir alle jene Begriffe, welche aus der Perception unmittelbar hervor- gehen, Relationen I. Ordnung. Wir haben bei dieser Relation nur den Zustand unseres Nervensystems, welcher durch die «Berührung» desselben mit irgend einem Objecte entsteht, zu berücksichtigen; z. B. es wird die Nerventhätigkeit unseres Sinnes durch Kälte herabgesetzt, durch Wärme angeregt, mit anderen Worten es entstehen darin Vorgänge im nega- tiven oder positiven Sinne, wenn wir vom Nullpunkte der Empfindung ausgehen. Wir fühlen das, was wir Wärme oder Kälte nennen. Es ist also die Relation I. Ordnung stets ein Ausgehen und Vergleichen vom Nullpunkte des Gefühllebens, daher entstehen stetsin diesem Falle com binirte oderDoppel- be griffe, weil vom Nullpunkte aus die Begriffs^ildung positiv oder negativ entstehen kann, rund herausgesagt, ein An- steigen oder Abfallen der Erregung des Nerves Hand in Hand gehen muss. Man könnte sie auch Gegenbegriffe nennen, kalt, warm, leicht, schwer, oben, unten. Alle diese Relationen — Begriffe, welche wir mit einem Objecte verbinden können, sind wir nunmehr im Stande, unter- einander in Beziehung zu bringen, so wie wir in der Folge — 17 - •dazu kommen, Objecte sowohl in ihrer Relation zu uns, als gegeneinander zu betrachten. Z. B. : Wir percipiren durch Auge und Hand die Form eines Körpers und finden an allen Formen die Dimen^ions- functionen, woraus wir uns den RaumbegrifF bilden. In Bezug auf die Person des Beobachters entsteht eine Relation, welche uns die Abhängigkeit der Perception von der Entfernung lehrt. In Bezug auf andere Objecte kommen wir zum Schlüsse der Lageänderung im Räume und deren Bewegung. Eine Bewegung erzeugt direct keine Aenderung des Raum- oder Materiebegriffes, aber wir kommen zur Perception der Aenderung in den gegenseitigen Raumbeziehungen, die wir Bewegung nennen, da sich diese aus der Relation I. Ord- nung durch Vergleich verschiedener Raumfunctionen ableitet, so haben wir es mit der nächst höheren Relation zu thun, d. Ih. wir sind zur Relation 11. Ordnung angelangt. Vergleicht man nun zwei Wege (Raumstrecken), welche von zwei sich bewegenden Körpern zurückgelegt werden, so gelangen wir zum Begriffe der Zeit, also zur nächsten Relation III. Ordnung. Der Beweis dazu ist folgender: Wir haben den Körper A und B. Q a' Q ? .. A legt in einer Beobachtungsperiode die Strecke a a', B unter derselben Constellation die Raumlänge b b' zurück. Der reciproke Werth dieser beiden Wege ist 1 : 2, also 72 •oder aa* ist zweimal so gross als bb\ Die weitere Beobachtung im selben Sinne lehrt dasselbe, nur sehen wir, dass sich die Wege addiren; der reciproke Werth bleibt derselbe, aber aus der Succession folgt der Schluss der Reihe, aus der Recipro- •cität hingegen jener der Zeit. Indem wir die Reihe mit dem ^zurückgelegten Wege combiniren, sagen wir: A legt eine Strecke im Räume zurück, welche B erst erreicht, wenn A eine ebenso grosse Strecke sich weiterbewegt hat. Die Diffe- renz der Wegwerthe lehrt uns erst den Begriff der Zeit und daher wird die Zeit auch nur durch Vergleich des kleineren 2 — 18 — Wegwerthes mit jenem des anderen bestimmt. Es zeigte dies^ dass die Zeit, sowie jede Massperiode, eine ganz willkürliche- ist und sie erst durch eine Relation zum Bewusstsein kommen kann. Ohne Bewegung keine Zeit. Von psychologischem Interesse ist hier auch, dass ein Fauler nie Sinn für Zeit- beurtheilung hat. Wir können die «Zeit» an dem einen Objecte nur messeny indem wir die Bewegung, den Weg eines anderen Objecte^ periodisch mit jenem des ersteren vergleichen. Aus dieser, der Natur direct entnommenen Wahrheit, ergibt sich das merkwürdige, aber der Thatsache vollkommen entsprechende Resultat, dass wir überhaupt nicht direct beurtheilen können,, wie «viel Zeit», resp. wie viel Zeitperioden verflossen sind^ wohl aber, ob die gegenwärtig als zuletzt verflossene Zeit^ intervalle der vorhergehenden gleich war. Vergleichen wir diese «Zeit» mit der zurückgelegten» Raumlänge (mit dem Wege), so erhalten wir die Relation. rV. Ordnung, und nennen sie Geschwindigkeit. Wir kennen laut Relation I — III die Begriffe des Weges und der Zeit, der relative Werth daraus gibt die Geschwin-^ digkeit. s = Weg c = Geschwindigkeit s = et t = Zeit. Der zurückgelegte Weg s combinirt sich aus der Suc-^ cession der Bewegung und so finden wir aus Weg und Zeit die Geschwindigkeit. s ^ = r Setzen wir nun die Accelleration in dieselbe Relations- Kategorie ein, und bringen diese mit dem percipirten Ge- wichte eines Körpers in Beziehung, so kommen wir zur Definition der Masse, als Relation V. Ordnung. Das Gewicht wird percipirt, die Abhängigkeit dieses von der Accelleration. ist eine noth wendige Folge unserer Erfahrung. Wir meditiren: P = xg und setzen für x = M. woraus wir zum Resultate kommen, P == Gewicht g == Accelleration M = Masse zum Begriffe M. P P M = -^ oder richtiger, -~- wird uns- - 19 - Man sieht, die Masse ist bereits ein sehr complicirter Begriff. Vergleicht man nun diese mit dem Räume, also die Relation I. Ordnung mit jener V. Ordnung, so erhält man eine solche VI. Ordnung. Wir gelangen zum specifischen Gewicht und der Dichte. Wir substituiren in der Gleichung s das M und P durch d und s, und erhalten d = — beziehungsweise s == g g d = Dichte, s = spec. Gewicht. Diese Ausdrücke versinnlichen uns den Vergleich der Masse des Korpers mit ihrem Rauminhalt. Wir gehen weiter zur Kraft und somit zu einer nächst höheren Relation (VII. Ordnung). Kraft an sich, kann ebenso wenig percipirt werden, als Raum, Zeit, Materie und Bewegung, sie ist eben aus allen diesen Factoren hervorgegangen. Percipiren können wir nur ihre Wirkung und definiren können wir sie nur auf Grund der präcedirenden Begriffe. Für die Kraft K hat man die Formel ^ m V a = Accelleration t V = Geschwindigkeit t = Zeit. Daran reiht sich die Relation VIII. Ordnung, Arbeit und Effect. E = Kv u. s. w. Wir haben hiemit die Entstehung und den Rangwerth der Begriffe erläutert, und die moderne Philosophie wird sich müssen an dieses oder an ein ähnliches psychophysika- lisches Definitionsverfahren halten, wenn sie nicht wieder zur Sophistik, Dialectik und dergleichen geistreichen Klopffech- tereien herabsinken will. Zu bemerken habe ich noch, dass durchaus nicht noth- wendig daraus folgt, dass ein bestimmter Begriff stets, z. B. als Relation VII. Ordnung auftreten muss, es hängt eben die Ordnungszahl von der Fähigkeit des Deducirenden ab und wie viele Schlüsse dieser bedarf, um zu jenem Begriffe zu kommen. So kann z. B. wenn man von anderen Momenten 2* — 20 — seine Schlussreihe beginnt, die Relation in ihrem Werthe weit über oder unter dem genannten Grade der Schlussreihe stehen, für einen Ungebildeten, ist das pythagoräische Gesetz auf einer Stufe, die seine Schlussfolgerung nie erreichen kann. Für einen Begabten und Unterrichteten steht es even- tuell schon auf der IIL Stufe seiner Gedankenreihe. Ich war genöthigt, diese Abschweifung von unserem eigentlichen Thema zu unternehmen, da es sich um die Frage des Zeitbegriffes gehandelt hat. Wir sehen, dass die Zeit an sich, wie es die Philosophen nennen, nicht percipirt werden kann, dass sie, auf gut deutsch gesagt, direct nicht aufgefasst werden kann, dass eine Zeit als solche überhaupt nicht exi- stirt, wohl aber Causalitäten, welche mit einander in Relation gebracht, den Begriff der Zeit in uns erzeugen. Die Causalitäten werden durch den Vergleich zweier Grössen bedingt. Auf Grund dieser Relation können wir erst ein Mass und zugleich eine Intervalle feststellen, welche wir als Zeit im landläufigen Sinne benennen. Indem wir nun die Intervalle einer Periode verfolgen, können wir in Bezugnahme auf eine zweite Periode consta- tiren, ob die Intervallen der ersten gleichförmig, regelmässig oder unregelmässig, event. beschleunigt auf einander folgen. Folgendes Experiment lehrt dies in einer eclatanten Weise. «Regelmässige Schlagfolgen werden ganz gut beur- theilt und Fehler in denselben von 0*046'' noch merklich empfunden, lässt man aber zwei Metronome sychron schlagen, so wird eine geringe Ungenauigkeit von 0016" noch als Störung aufgefasst.» * Wenn Jemand über die Dauer einer Erscheinung ohne Zuhilfenahme eines Instrumentes befragt wird, so findet man, dass sein Urtheil meist ganz belanglos ist. Wiederholt sich diese nach längeren Pausen, so wird der [betreffende ebenso wenig im Stande sein, die Grösse und die Differenz zwischen den verschiedenen Intervallen zu unterscheiden; umso merk- würdiger ist es daher, dass der Mensch für Perioden mit kleinen Intervallen empfindlich ist und deren Regelmässigkeit sehr leicht zu beurtheilen vermag. Wenn z. B. das Intervall * Vierort. Zeitsinn. — 21 — eines regelmässig^en periodischen Geräusches oder Tones etwa die Dauer einer Secunde beträgt, so wird selbst eine ganz unbedeutende Verzögerung oder Unregelmässigkeit desselben, sehr deutlich als Störung empfunden und richtig beurtheilt. Beim Lesen von Versen kann man dies am deutlichsten beob-^ achten, da die Arsis eine regelmässige, periodisch wieder- kehrende Tonstärke repräsentirt, d. h. repräsentiren soll, ist die geringste Verschiebung derselben bereits sehr lästig und wird als Knittel oder stolpernder Vers bezeichnet. Schlechte Verse kann man daher nur erträglich machen, wenn man beim Vortragen die Arse möglichst vernachlässigt. Ein Kunstgriff, der mit Kunst geübt, künstlerisch wirken kann. Ueber den Zeitsinn selbst ist ausserordentlich wenig ge- schrieben worden, und finde ich in Hermann's Physiologie* nur folgende Bemerkung: «Ueber die Fähigkeit des Ohres, Zeit- unterschiede wahrzunehmen, haben wir von Höring, Mach und Vierort einige Bestimmungen. Takte werden von dem Ohre feiner wie von anderen Sinnen unterschieden. Geprüft wurde namentlich der Taktschlag von Metronomen und Pendeln, sowie von Zahnrädern. Das Urtheil wird bei Pausen von weniger als 0*3 Secunden rasch zunehmend, mit Verringerung der Zeit unsicher. Für 0*3" wurde ein Unterschied von 3'37o; resp. 57o noch erkannt. Bei langsamer Schlagfolge wurden die Fehler in der richtigen Erkenntniss des Taktes grösser. Für 1*4" steigen sie etwa auf das Doppelte. Bei Versuchen, die Schlag- folge zu reproduciren, ergab sich, dass kurze Perioden zu lang, lange zu kurz angegeben wurden. Das Urtheil zeigte also nicht nur eine gewisse Unsicherheit, sondern es war noch mit einem «constanten» Fehler behaftet. Der Indifferenz- punkt, bei welchem dieser Fehler fortfällt, liegt verschieden, je nach der Individualität. Bei drei Personen traf Vierort ihn bei Perioden von 1*5", 1'4" und 3"». Diese demonstrirte Empfindlichkeit für kleine Intervalle bedingt aber nothwendig, entweder die Perception «an sich», was wie gezeigt unmöglich ist, da die Zeit eine Relation ist, oder den Vergleich der percipirten, periodisch einfallenden Tonstärke mit einem anderen Momente, wodurch der Begriff * Hermann's Handbuch der Physiologie III. B., II. Th., Das Gehör. Von V. Hensen, Kiel, pag. 134. — 22 — eines Masses, d. h. eines Synchronismus oder einer Differenz in den vergleichenden Perioden zu Stande kommt. Brücke zeigt die Rolle, welche das Schöpfen des Athems während des Sprechens spielt, und jene des Druckes der in der Lunge befindlichen Luft auf die Gestaltung des Tonfalles. Die Zahl der Athemzüge könnte ich wohl zum Masstabe der Periode heranziehen, da diese eine ziemlich regelmässige ist ; wir werden auch sehen, auf welche Weise die Athmung ihre Wirkung zur Geltung bringen kann, indessen wäre das Heran- ziehen derselben zum Beweise eines Periodenmasses keine glückliche Idee. Es würde alsdann der Sprechende ein ganz verschiedenes Mass besitzen als dasselbe Individuum, wenn es den betreffenden Vers stille liest, da es durchaus nicht einerlei ist, ob der Athem bei der Exspiration eine Arbeit leistet oder nicht. Ganz abgesehen davon, dass beim Sprechen die Zahl der Athemzüge sich nach dem Baue des Satzes richtet, was allein schon seine Regelmässigkeit beeinträchtigt, indem der echte Künstler dort Athem holen muss, wo ihm eben Zeit dazu bleibt, ist die Athemfrequenz eine zu geringe, resp. deren Periode eine zu grosse, um diese als Mass benützen zu können. Diese schwankt nämlich beim normalen Menschen zwischen 16 und 20 in der Minute, Zählungen, welche ich beim Lesen von Dichtungen vornahm, ergaben, dass im Durchschnitte (bei gewöhnlichem Tempo) circa 70 — 80 Arsen in der Minute gesprochen werden. Weiters ist es ganz einerlei, ob man z. B. den Vers: In Hexametern steigt des Springquells flüssige Säule, In Pentametern dVauf, fällt sie melodisch herab. in einem Athem liest oder ob man beim Lesen mit der Ex- spiration und Inspiration abwechselt. Hier sehen wir nun, dass die Athemperiode zu lange und zu willkürlich ist, infolge dessen ein Mass für Zeiten, welche unter dieser Dauer liegen, überhaupt nicht abgeben kann. Betrachten wir einen jambischen, sechsfüssigen Vers: Hier haben wir, da er in drei Hebungen gelesen wird, einen Trimeter, und finden, dass die Arse auf jede vierte — 23 — Silbe fällt, wovon im Schema zwei lange sind, eine mittel- zeitig und eine kurz ist. Dasselbe ist der Fall beim voll- ständigen trochäischen Tetrameter: Der Hexameter und der Pentameter sind die regel- mässigsten Versarten, sie vertragen keinen holprigen Bau, wie es in anderen Metren, doch ohne besonders aufzufallen, vorkommen kann, d. h. die Arsenintervalle muss hier mit g-anz besonderer Sorgfalt eingehalten werden. Der Penta- ^md Hexameter bestehen zumeist aus Dactylen. Es ist dem- nach jede dritte Silbe eine Arse. Mit welcher Macht diese Versarten die gleichen Intervalle fordern, geht aus dem Um- stände hervor, dass der Dactylus hier nur von einem Spondäus ■ersetzt werden kann. Ich citire Brücke (p. 42): «Trochäen lassen sich ihnen, abgesehen vom Versende, in der Regel nur dann beimischen, wenn man dieselben künstlich durch Verschleppung ihrer Thesis in Spondäen verwandelt oder durch Ausruhen auf der Arsensilbe diese zu einer Ueberlänge ausdehnt». Als deutlichen Beweis zu dieser Mischung der Dactylen mit anderen Versfüssen citirt er: «Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen und Bangen In schwebender Pein.» omd schreibt den Vers wie folgt: Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein. Langen und bangen in schwebender Pein. Betrachten wir die hier angeführten Schemen, so erkennen wir, dass bei den zwei ersten Beispielen, wo jede vierte Silbe die Arsis trägt, ein auffallendes Bestreben vorhanden ist, den Vers rascher zu sprechen, wobei schon eine mittelzeitige Silbe sich als lang fühlbar macht; im dactylischen Verse finden wir das Gegentheil, er besitzt nur drei Silben in jeder Inter- valle und zeigt eher die Neigung, diese in die Länge zu ziehen. Ein solcher Vers klingt «getragen». Falls man aber die Vers- — 24 -- füsse mit Trochäen mischt, können zwei Fälle eintreten: Die- Trochäen erhalten den Charakter, dass jede zweite Silbe di& Arse trägt ( ,_ _^) und werden zu Anapästen, wogege» die darauffolgenden Dactylen sich accelliren, oder die ersteren erhalten auf jede vierte Silbe den Ton, werden kürzer ge- sprochen, wogegen die Dactylen sich in die Länge ziehen. Die Erscheinung kann man nicht nur bei allen Sprachen beobachten, sondern auch bei den ältesten Dichtungen und müssen wir annehmen, dass wir die Arsenintervalle, auch heute noch genau nach demselben Masstabe beurtheilen^ wie die antiken Völker und unsere Vorfahren. Altdeutsche^ und verwandte, etwa angelsächsische Dichtungen (siehe oben, Wolzogen) zeigen zwischen je zwei Arsen höchstens drei Thesen, Das Verhalten anderer antiker Dichtungen und Sprachen habe ich nicht studirt, auch nicht weitere Nach- forschungen angestellt, da mir das Gesagte genügt. Gewiss- ist das Mass der Intervallengrösse überall dasselbe. Das Vorgeführte beweist uns genügend, dass die Intervalle einen sehr Constanten Zeitwerth besitzt, welcher nie über ein be- stimmtes Mass hinaus gehen darf, ohne das Ohr zu beleidigen^ Zählen wir die in einer Minute gesprochenen Arsen und Silben, so finden wir beim Hexa- und Pentameter, wie mich viele Leseversuche lehrten, ca. 70 — 75 Arsen und dem- entsprechend einen Durchschnitt von 180 — 210 Silben. Es sind dies Werthe, welche ich am öftesten erhalten habe. Unter 60 Hebungen konnte ich geradezu nie beobachten und habe auch nie einen Menschen sprechen gehört, der Verse lang- samer recitirte. Merkwürdig ist, dass ein und derselbe Vorleser an verschiedenen Tagen die Schnelligkeit beim Sprechen» auffallend modificirt, z. B. heute liest er 70, morgen 80 Arsen desselben Liedes in der Minute. Wenn wir die Idee beibehalten, dass zur Beurtheilung- einer Zeitintervalle eine ähnliche Periode in uns existiren müsse, welche einen Vergleich und demzufolge indirect eine Auffassung der Zeitwerthe bedingt, so müssen wir vor Allem nach einer Intervallursache suchen, welche in einer Minute- 60 — 80 Wiederholungen bedingt, da der Athem, wie wir ge-» sehen, eine zu lange Dauer besitzt. Ausser der periodischen Bewegung des Athmungsappa- rates haben wir nur noch eine solche und zwar die Periode* — 25 - des Herzschlages und so wollen wir untersuchen, ob diese- Periode überhaupt percipirt werden kann und ob diese unseren. Körper und dessen Functionen nicht nur beeinflusst, sondern ob der Herzstoss auf das Hören eine störende Wirkung aus- zuüben im Stande wäre. Was die Periode selbst betrifft, muss vor Allem constatirt werden, dass diese thatsächlich mit der Zahl der Arsen, welche der Mensch unter gewöhnlichen Umständen hervorhebt^ d. h. wie sie ihm angenehm klingen, übereinstimmt. Das Herz macht in der Minute zwischen 60 —80 Contrac- tionen, die Zählungen der gesprochenen Arsen ergaben mir einen Durchschnitt von 70 Hebungen, wie ich schon zu be- merken Gelegeheit hatte. Das Blut wird bei jeder Contraction aus dem Herzen in die Aorta getrieben, der Höhepunkt der Systole wird durch das plötzliche Schliessen der Herzklappe markirt, wodurch der sogenannte Aortenstoss entsteht. So lange nämlich die Klappe offen ist, wird das Blut unter einem bedeutenden Druck in das Aortensystem gepresst, durch das plötzliche Schliessen der Klappe erleidet der Blutstrom eine Unter- brechung. Man findet daher in der graphischen Darstellung der Pulscurve, welche am Kymographion gewonnen wird, zuerst ein Ansteigen des Blutdruckes verzeichnet, welches dem Ein- treiben des Blutes in der Ader entspricht; wenn nun die Herzklappe geschlossen wird, entsteht eine plötzliche Druck- . differenz in derselben, und das Blut fliesst demzufolge theil- weise zurück, wobei es auf die geschlossene Klappe stösst, sich daran staut und als Rückstoss wieder reflectirt wird; es wird dieser Moment durch den Herzklappenton der Systole markirt. In der Kymographion-Curve kann man diesen Herzklappenstoss genau ablesen, indem er den Discrotismus derselben hervorruft. Da nun der Aortenstoss wiederholt reflectirt wird, so kann man an jeder Curve noch mehrere Reflexwellen unterscheiden, die für uns indessen keine Bedeutung mehr besitzen. (Siehe Fig. 3.) Bis zum Eintritt des nächsten Aortenstosses, fliesst nun das gestaute Blut vermöge der Contraction der elastischen Arterie und der bestehenden Druckdifferenz, welche zwischen dem Arterien- und Venensystem herrscht, in das Letztere ab, d. h. es strömt zum Niveau des minderen Druckes, unterstützt — 26 — •du|:ch die Diastole bis zum nächsten Eintreten des Systole, wo beim neuerlichen Klappenschluss der Aortenstoss wieder auftritt Der Herzschlag ist, sobald er nicht pathologisch oder durch gewisse Zustände des Menschen beeinflusst wird, eine in regelmässigen Intervallen wiederkehrende Erscheinung, welche allerdings durch verschiedene Functionen und Lebens- äusserrungen Veränderungen erleidet, so z. B. durch körper- liche und geistige Arbeit, beim Laufen, Tanzen, Sprechen, Denken u. s. w. Es ist die Frequenz und die Energie der Con- traction direct proportional der Arbeitsgrösse, welche •der Körper jedesmal leistet. Indem damit der StoflFverbrauch, •die Menge des oxydirten Blutes massgebend ist, wird es einleuchten, dass bei angestrengter Arbeit auch die Herz- •contraction nicht nur energischer, sondern deren Frequenz auch grösser sein muss. Bei jeder Gemüthsbewegung wird die Zahl der Puls- schläge wesentlich erhöht, resp. auch deren Regelmässigkeit beeinträchtigt, wogegen durch Ruhe und Schlaf die Anzahl und die Energie derselben herabgesetzt wird. Es sind dies zu allgemein bekannte Thatsachen, als dass ich mich damit noch länger zu befassen brauchte. Es genügt folgendes Beispiel : Zu Beginn einer Rede fühlte ich des Redners Puls, er betrug 62 wie gewöhnlich. Redner begann den Vortrag in gemessenem, ziemlich langsamen Tone, er sprach etwa drei Stunden ohne Unterbrechung. Gegen Ende des Vortrages nahm die Geschwindigkeit der Rede auffallend zu, nach dem Vortrage zählte ich bei ihm gegen 120 (!) Puls- schläge, leider war es mir nicht möglich, die darauf ent- fallenden Worte pro Minute festzustellen. Je rascher man spricht, desto schneller fliegt der Athem, hiemit steigt aber die Zahl der Herzschläge proportional, was insoferne einleuchtend und selbstverständlich ist, als bei jedem Herzschlage eine bestimmte Arbeit geleistet wird, welche ihrerseits eine genaue bestimmte Menge Blutes dem Organismus zuführt und dadurch eine ebenso genau bestimmte chemische Reaction hervorruft. Wird nun diese Energiegrösse rascher verbraucht, so folgt daraus, dass sie um eben so vieles früher ersetzt werden müsse, also das Herz schneller arbeiten muss. — Gebraucht man nun einen Theil der ein- — 27 — fg-eathmeten Luft zum Hervorrufen des Sprachgeräusches, so wird eine geringere Arbeit der Luft für die Oxydation des Blutes übrigbleiben, daher muss man auch rascher athmen und das Herz muss schneller schlagen. Dieselbe Beobachtung, doch in einer andern Form macht Dr. Ritter v. Vivenot in seinen Studien und Berichten über •comprimirte Luft, indem er bemerkt, «dass die comprimirte Luft die Zahl der Athemzüge herabsetzt und ebenso auch den Puls verlangsamt, wogegen bei der verdünnten Luft ge- rade das Gegentheil zu constatiren sei». Es ist daher eine ganz unleugbare Thatsache, dass das Sprechen eine Aberration der Pulscurve hervorruft*. Die Con- sequenz davon müsste sein, dass jeder Laut eine typische Beeinflussung derselben erzeugt. Da nun an die Blutcirculation eine lange Reihe der mannigfaltigsten physiologischen Erscheinungen sich knüpft, ^können wir in unserer Schlussreihe weitergehen und be- haupten, dass in dieser typischen Aberration der nor- malen Pulscurve der Causalnexus zu den intimen Beziehungen zu suchen ist, in welchen Körper und •Sprache stehen. Dies hier Deducirte will ich jetzt nicht weiter verfolgen, da es uns zu weit vom Thema entfernen ivürde, werde aber auf dieses andernorts zurückkommen. Wenn ich übrigens auf die Thatsache nur in Form eines Schlusses oder einer Hypothese hinweise, so wage ich doch schon mit aller Bestimmtheit zu behaupten, dass sie mir bereits vollkommen zweifellos feststeht, und füge hinzu, dass, falls wir noch lange nicht im Stande sein dürften, diese so ausserordentlich kleinen Schwankungen in der Curve zu con- statiren, wir doch wissen, dass der Nerv das allerempfind- lichste Reagens ist, welches die typischen Schwankungen in der Blutcirculation zuerst empfindet und in weitere Arbeit umsetzt. Heute sind für uns als Resultate unserer Reflexionen nur folgende Punkte wichtig: Dass der Herzschlag und die Art wie er zu Stande kommt, unsere Sinnesfunctionen beeinflussen kann, und zwar: * Dr. Angelo Mosso hat diesbezüglich schon einige sehr bemerkenswerlhe "Versuche gemacht. — 28 — 1. Weil von jedem Herzschlage und der damit bedingten Blutcirculation, sowie der Menge des leistungsfähigen Blutes, die dem Körper zugeführte Energie abhängt. 2. Weil schon aus Punkt 1 hervorgeht, dass die Empfind- lichkeit der Sinnesapparate davon beeinflusst werden müsse. 3. Dass infolge der eigenthümlichen Periodität des Herz- schlages die Blutcirculation Einflüssen unterliegt, die percipirt werden können. 4. Endlich, dass wir diese Periode percipiren müssten, wenn sie uns Anhaltspunkte für Beurtheilung der Zeit geben wollte. Was nun diese vier Punkte anbelangt, müssen wir aller- dings zugestehen, dass wir uns des Herzschlages an sich und in uns gewöhnlich nicht bewusst sind und dass wir, sobald wir die Zeit beurtheilen, uns bewusst nie an ein Mass halten, ebensowenig als wir uns einer Periodität des Blutdruckes in dem arteriellen System bewusst sind, es wäre denn von einigen ungewöhnlichen, z. B. pathologischen oder indivi- duellen Fällen abzusehen. Sobald wir permanent an eine Erscheinung gewöhnt sind, so werden wir diese schliesslich überhaupt nicht mehr beachten,, ganz einerlei, ob uns diese Erscheinung bewusst geworden ist oder nicht. So hat z. B. das Auge viele Fehler, welche uns bei einem gewöhnlichen optischen Instrumente stören würden, ja welche wir bei einem solchen überhaupt nicht dulden dürften. So z. B. bemerken wir auch nichts davon, dass der Aortenstoss sich bis zum Auge fortpflanzt und den empfangenen Gesichts- eindruck periodisch stört. Es ist gewiss wahr, dass der Stoss im Capillare, wie Grashey nachweist, experimentiell nicht mehr zu constatiren sei, denn er wird durch die vielen Verzweigungen des Adernnetzes theils reflectirt, theils geschwächt. Gleichwohl kann man doch, falls man genau beobachtet, den Herzschlag «sehen» und darin sogar den Moment des Aortenstosses unterscheiden. Am deutlichsten habe ich dies beim Mikroskopiren beobachtet. Wird das Auge durch vieles Lesen oder Schauen über- müdet, so kommt der «Fehler» unseres optischen Apparates oft sehr eclatant zum Vorschein und man beobachtet ein. — 29 — periodisches Auftauchen oder Verschwinden des Bildes, oder eine Vergrösserung des Gesichtsfeldes, welche gleich darauf einem momentanen Zurücktreten Platz macht, das mit der Periode des Herzschlages übereinstimmt. Sobald man eine helle weisse Fläche fixirt, kann man die Wirkung des Herz- schlages ebenfalls beobachten. Man sieht es pulsiren. Ganz ebenso verhält sich auch die Auffassung der Herzschlagperiode durch das Ohr. Sehen wir von dem Umstände ganz ab, dass im Capillarnetze die Wirkung des Aortenstosses experimentiell nicht mehr zu constatiren ist, so müssen wir doch an der Hand des ausserordentlich reichhaltigen Materials zugestehen, dass in allen grösseren Blutgefässen der Herzstoss nachweisbar ist, was, wie wir sehen werden, wieder vollkommen zu unseren Beobachtungen genügt. Hensen macht in Hermann's Handbuch der Physiologie * folgende uns wichtige Bemerkung: «Als entotische Geräusche können auch Pulsationen des Herzens und der Arterien, Inspirations- und Venengeräusche vernommen werden. Es ist auffallend, dass diese Geräusche unter gewöhnlichen Bedingungen nicht gehört werden, da doch die Carotis im Felsbeine liegt und sogar ein Arterienast an den Steigbügel geht.» Das entotische Geräusch bedingt eben ein Ansteigen der Ursache bis über den Schwellwerth. Unter den gewönlichen Umständen ist das Ohr bereits zu sehr ge- wöhnt, um es zu bemerken.** Wir wollen daher zunächst untersuchen, ob das Ohr solche starke Blutgefässe führt, ob in dessen Nähe grosse Blutgefässe verlaufen und diese unseren Gehörapparat beein- flussen können (siehe oben Hensen). Wir sehen hier, dass die grossen Blutbahnen, welche vom Herzen zum Kopf führen, zunächst in der unmittelbaren Nähe des Ohres, resp. des Ohrennerves liegen. Die Kopfschlagader (Carotis) geht an der Halsseite em- por und theilt sich in zwei Hauptstämme und zwar als die Arteria carotis externa und Arteria carotis interna. Die Arteria carotis externa theilt sich in verschiedene Aeste, wovon der eine gerade aufsteigende knapp vor dem * W. O pag. 123. ** Siehe pag. 31. - 30 — knorpeligen Gehörgange über die Schläfe führt, es ist die Arteria temporalis superfictalis, die oberflächliche Schläfenschlagader. Aus dem Zweige der Arteria carotis externa, der Arteria maxillaris facialis, entspringt die hintere Ohrschlagader Arteria auricelaris posterior und dringt als Ast in den fallopischen Canal, in den Canalicus Chordae in die Paukenhöhle, zu deren Schleimhäuten, zu den die Cellulae Mastoideae auskleidenden Membranen und zum mittleren Theile des Trommelfelles. Die Schläfenschlagader, welche, wie oben erwähnt, als starker Stamm an dem knorpeligen Gehörgang vorbeizieht und ihre mächtigen Stösse unbedingt diesem mittheilen muss, sendet noch einige Aeste als vordere Ohrenschlagader (Rami auriculares anteriores) in das äussere Ohr, welche Zweige uns aber kein weiteres Interesse bieten. Hingegen ist uns die tiefe Ohrenschlagader auricularis profunda wichtig; sie führt hinter dem Kiefergelenk in den Gehörgang zum Trommelfell und zum Boden der Paukenhöhle. Der nächste Ast ist die Paukenschlagader Arteria Tym- panica) welche durch die fiosura Gasseri, wo auch das vordere Hammerband und die Chorda Tympanii inserirt ist, hindurchgeht und in die Paukenhöhle mündet. Ein anderer ausserordentlich starker Zweig der Arteria carotis externa ist der aus der Arteria maxillaris interna verlaufende Stamm der mittleren Hirnhautschlagader der Arteria meningea media; er tritt durch das Foramen spinosus in die Schädelhöhle und zertheilt sich an der Innenfläche der Schläfenbeinschuppe in mehrere Aeste, der erste Ast, Arteria meningea parva für die Tuba Eustachii, die Basis des Pro- cessus pterygoideus, den dritten Ast, des Trigeminus, das Ganglion Gasseri und die am Keilbeinkörper befindlicher! Theile der Dura mater; ein anderer Ast, Ramus petrosus^ tritt zum Ganglion Gasseri zur lateralwärts vom Keilbein befindlichen Dura mater, an die Muscula densor Tympanii und zugleich mit dem Nervus petrosus superficialis major, durch den Hyatus Canalis fallopiae und geht wohl auch zur Innenwand der Paukenhöhle. Dieser dritte Trigeminus-Zweig, welcher von der Arterie berührt wird, übt eine motorische Wirkung auf die Muscula densor Tympanii aus, also kann demzufolge die Möglichkeit - 31 — nicht ausgeschlossen sein, dass der Aortenstoss direct als- Reiz auf das Gehör wirken kann, da der Stoss nothwendig eine Nervenreizung bedingt. Die Arteria meningea media wirkt aber ganz unzweifelhaft auch so, dass sie auf die unter ihr liegenden Gehirnpartien den Aortenstoss überträgt. Wir kommen nun zu dem von der Carotis interna ent- springenden Zweige und der aus der Arteria basilaris her- vorgehenden inneren Ohrenschlagader, Arteria auditiva in- terna, für den inneren Gehorgang, dem knochigen und häutigen Labyrinth. Wir haben hier abermals eine Schlagader von ziemlicher Bedeutung, also kein Capillar, welche daher jedenfalls noch unter der Wirkung des Aortenstosses steht, und an eminent empfindlichen Theilen des Gehörapparates, resp. Nerven vor- beiführt und daher den Stoss auf letztere übertragen muss,. umsömehr als die Stämme der Basilararterie in der Nähe des Acusticus Insertion liegen. Wir müssen also auf Grund dieser anatomischen Befunde zugestehen, dass Beweise genug vorhanden sind, um die An- nahme zu berechtigen, dass der Aortenstoss vom Acusticus. nerve perCipirt werde, umsömehr als wir wissen, dass sich jeder Stoss entsprechend dem Medium fortpflanzen muss, wo- bei wir, ganz abgesehen von dem anatomischen Befunde (selbst wenn die Stosswelle jedes Herzschlages als solche schon bei der ersten Arteriengabelung ganz zersplittert würde, was übrigens eine Unmöglichkeit ist) eine Fortpflanzung des durch den Herzklappenschluss erzeugten Schalles unbedingt anerkennen müssen, und damit schon ein, wenn auch unbe- wusstes Percipiren desselben als genügend bewiesen erachten. Dass wir von der Perception dieses Stosses im Hören nicht gestört werden, liegt off'enbar nur in dem Umstände, dass wir schon im embryonalen Zustande an diese periodische Erschütterung gewöhnt sind und sie daher nicht beachten ; ebenso wie uns die Wirkung des Pulsschlages auf das Auge meistens entgeht. Zu den anatomischen Befunden habe ich noch die That- Sache hinzuzufügen, dass man bei Beobachten des Trommel- felles mit dem Ohrenspiegel ganz deutlich sehen kann, wie nicht nur das Trommelfell, sondern das ganze innere Ohr unter der Wirkung des Pulses zu leiden hat. - 32 — Man sieht es im Ohre pulsiren. Zum Beweise einer Beeinflussung des Hörens durch den Pulsschlag, braucht man sich nunmehr nur das Gesetz der Superposition der Schwingungen zu vergegenwärtigen. Um nun diese hier aufgestellten Folgerungen endgiltig zu be- weisen, ist die Aufgabe der folgenden Experimente: Geradeso wie das Auge, so lange es im Vollbesitze seiner Perceptionsfähigkeit ist, von der Herzschlagperiode durch Gewöhnung nichts, oder nahezu nichts bemerkt, und man erst seine Aufmerksamkeit auf diesen Umstand concen- triren muss, um sich dessen bewusst zu werden, ebenso ist es beim Ohr. Es ist nichts schwieriger, als sehr geringe Schwankungen in der Licht- oder Schallintensität wahrzu- nehmen. Bei einer energischen Sinneserregung kann man eine solche Schwankung überhaupt nicht beurtheilen, erst wenn der betreffende Sinn übermüdet ist, oder die Erregung sehr schwach ist, ist es möglich, sich darüber ein sicheres Urtheil zu bilden. Erst, wenn das Ohr übermüdet ist, wird man ebenso wie beim Horchen auf sehr leise continuirliche Schallquellen oder aber auch bei durch Taubheit geschwäch- ten Organen, zur Zeit jeder Periode ein Flackern oder ein plötzliches Auftauchen der Erregung wahrnehmen. Ich habe, um diese Erscheinung zu studiren, ein Läute- werk verwendet, welches alle Secunde einen Schlag auslöste, und konnte ich dasselbe mittelst ziehen an einer Schnur nach Belieben stille stehen lassen, oder in Thätigkeit setzen. Nun stellte ich mich (oder die Versuchsperson) so weit von dem -Schlagwerke auf, dass ich die Schläge bei aufmerksamem Horchen eben noch hören konnte. Nun handelte es sich darum, welche Wirkung der mit dem Pulse synchrone, und welche der ungleichzeitige Glocken- schlag auf das Gehör ausübt. Es würde nun das Einfachste gewesen sein, die Periode des Schlagwerkes stets zu modificiren, entweder durch ent- sprechende Verkürzung resp. Verlängerung des Pendels oder durch Anhängen von Gewichten an das Werk. Dies zeigte sich aber durchaus als unpraktisch und ich zog es aus vielen Gründen vor, eine Zeit zu wählen, zu welcher mein Puls genau 60 Schläge in der Minute aufwies, und während der Versuche lieber durch geeignete Mittel den Puls zu beschleunigen. Ich — 33 - erzweckte damit, dass der Schlag des Werkes stets mit der- selben Kraft erfolgte, und zweitens erhielt ich dadurch eine bequeme Uebersicht der Zeiten und eine genaue Controle über die Anzahl der Pulsschläge pro Minute, ganz abgesehen von der Umständlichkeit, welche sonst das stete Reguliren des Werkes erfordert hätte. Es glückte mir nach langen vergeblichen Bemühungen mehrere Male einen Moment zu erhaschen, in welchem mein Puls genau ßO Schläge pro Minute aufwies, wo er also mit dem Schlagwerke synchron war. Nun fühlte ich mit der einen Hand den Puls an, während ich mit der anderen das Läute- werk im geeigneten Momente ausschaltete, wobei darauf zu achten ist, dass der erste Schlag der Uhr stets mit jenem des Pulses zusammenfallen muss. Nach einigen Versuchen erhält man eine solche Fertigkeit, dass man stets zur richtigen Zeit das Werk in Thätigkeit setzen kann. Nun wurde der Abstand gemessen, welcher der maximalen Hörweite entsprach, bei welcher der Schall eben noch ganz leise wahrgenommen werden konnte. Schon bei den ersten Versuchen bemerkte ich, wie die geringste Verschiebung der Intervallen einen nicht unbedeutenden Einfluss ausübte, und das beste und deutlichste Hervortreten des Tones stets dann zu beobachten war, wenn ich das Werk um einen Augenblick zu früh, also vor dem Klappenschlu.ss in Thätigkeit setzte. Anfangs war mir dieser Umstand nicht erklärlich und schien nicht zu stimmen, bis sich dies Räthsel sehr einfach löste. Die Erregung, welche. durch den Aortenstoss erzeugt wird, pflanzt sich mit einer Geschwindigkeit von circa 10 m pro Secunde fort. Da nun der Weg von der Herzklappe bis zum Gehirn kürzer ist, als jener von der Klappe bis zum Hand- gelenk, hat die Blutwelle den Gehörapparat umso vieles früher beeinflusst, als der Weg kürzer ist. Diese Zeitdifferenz wird noch durch die Perceptionsdauer, welche zur Auffassung des getasteten Pulses nothwendig ist, wesentlich vergrössert. Ich suchte mich im weiteren Verlaufe der Experimente an diesen Umstand zu halten und beobachtete daher den Aortenstoss •stets an der Carotis. Die Versuchsreihen ergaben die auf der zum Schlüsse folgenden Tabelle I zusammengefassten Resultate. Fielen die Glockenschläge mit dem Aortenstoss zusam- men, so trat der Ton deutlich hervor, fiel hingegen der 3 — 34 — x\ortenstoss zwischen die Intervallen der Glockenschläge, so wurde der Ton mehr oder weniger undeutlich. (Tabelle Nr. 1 i>t auf Grund von Selbstbeobachtungen verfasst.) Die mit den römischen Zahlen bezeichneten Vertical- reihen benennen die Zeit und gleichzeitig die Nummer des Glockenschlages. Die Horizontalreihen, sowie die darauf be-' zeichneten Ziffern stellen die Zahl und die zeitlichen Ver- hältnisse der Pulsfrequenz dar. Z. B. Colonne I besagt, dass Puls und Glocke isochron sind, es entfällt demnach auf jeden Glockenschlag je ein Pulsschlag. Colonne 10 besagt, dass der Puls je zwei Schläge macht, während die Glocke einen Schlag gibt. Demnach sind in einer Minute 120 Puls- und 60 Glockenschläge, hier ist jeder zweite Pulsschlag mit der Glocke synchron, wogegen in Colonne 7 gezeigt wird^ dass jeder dritte Pulsschlag mit jedem zweiten Glockenschlage übereinfällt. Die Versuche haben gezeigt, dass jedesmal, wenn der Pulsstoss mit dem Glockenschlage zusammenfällt, der Ton der Glocke deutlicher hervortritt. (Der Schwellwerth wird er- reicht, resp. überschritten.) Fallen hingegen der Puls- und Glockenschlag nicht zusammen, so wird der Ton undeutlich wahrgenommen. (Der Schwellwerth wird nicht erreicht.) Die Erklärung dazu gibt die Interferenz und Superposition der Schwingungen. (Der Leser muss sich hier stets vor Augen halten, dass das Ohr sich von der Schallquelle in einer so grossen Entfernung befindet, dass es unter gewöhnlichen Um- ständen den Glockenschlag kaum wahrzunehmen im Stande ist, es wird daher erst durch die Superposition der Schwellen- werth erreicht.) Ich habe demzufolge in der Tabelle alle jene Schläge^ welche eine auffallende Verstärkung aufweisen, mit einen> (X) liegenden Kreuz bezeichnet und habe ich die Aufzeich- nungen, nach welchen diese Tabelle nachträglich zusammen- gestellt wurde, noch während der Versuche gemacht, so dass ein Irrthum ausgeschlossen ist und ich selbst durch die auf- fallende Regelmässigkeit der tabellarischen Uebersicht frap- pirt war. Bei diesen Versuchen ist das Ergebniss der ersten Beob- achtungszeit, bestenfalls bis für 10 Secunden vom grössten Werthe. Denn, falls die Intervalle von Herz- und Glocken- — 35 - schlag nicht dieselbe ist, so accommodirt sich der Herzschlag unter dem Einflüsse des Glockenschlage$ derart, dass die Intervallen nach einer längeren Versuchsreihe einander gleich werden, darauf kommen wir nochmals zurück. Bei meinen Versuchen ging ich wie folgt zu Werke. Vorerst wurde festgestellt, der wievielte Glockenschlag her- vortritt; z. B. jeder zweite, was ich mit dem Auge am Secundenzeiger beobachten, d. h. controliren konnte, da jeder Schlag nach einer Secunde ausgelöst ward. Dann wurde die Aufmerksamkeit dem Pulsschlage zugewendet und zwar der wievielte Pulsschlag mit jenem Perceptions-Maximum über- einfalle, z. B. jeder dritte; schliesslich wurde zur Controle die Pulsfrequenz in einer Minute gezählt, hier ergab diese Zählung 85. Daraus ergibt sich das unter Col. 7, Tafel I darrgestellte Resultat. Bei der nächsten Beobachtungsreihe wurde entweder def Herzschlag künstlich erhöht, oder eine geeignete Zeit ab- gewartet, in welcher eine andere Pulsfrequenz auftrat, z. B. 72 Schläge (Reihe 4) und wie früher verfahren. Es zeigte sich ausser dem bestimmten Hervortreten eines Tones, bei gleichzeitigem Pulsschlage oft ein eigenthümliches Flackern der Schallempfindung, welches ich übrigens auch bei anderen Gelegenheiten beobachten konnte, wobei der zur Perceptipn gelangte Ton mehr oder wehiger spät zum affec- tiven Hören gelangte und den Charakter des Anschwellens oder Verklingens annahm. Die Tonhöhe konnte ich leider nie beurtheilen. Die Verzögerung konnte ich einerseits an der stets vor Augen gehaltenen Secundenuhr, noch mehr aber an der Beurtheilung der percipirten Intervallen Verzögerung, für welche man durch das Erwarten des richtigen Einfa,llens sehr empfindlich wird, beobachten. Dieser Umstand fiel mir beim Entwerfen der Tabelle wieder auf. Es zeigte sich nunmehr> dass dieses. Flackern, welches ich durch den (').Accen,t ober^ halb der Zahl angedeutet habe, an jenen Stellen am jempfindr liebsten auftrat, wo der Schall in der Nähe einer Pulsperiode^ z. B. siehe 2. Col. bei 2' und 10'. Durch diese Beobachtungen und Befunde ist der Beweis zur Genüge erbracht, dass der Puls auf das Gehör einwirkt und (ein periodisches Perceptionsmaximum existirt ; daraus folgt, dass mit unserem Gehör auch unsere Begriffsbildung 3* - 36 - beeinflusst werden muss, und dass wir somit jene Vergleichs- intervalle besitzen, welche wir gesucht haben und die für die Perception der Zeit oder richtiger für die Relation, welche die Causalität zur Begriffsbildung der Zeit abgibt, unbedingt nothwendig ist. Es liegt nun sehr nahe, dass wenn wir dieses periodische Perceptionsmaximum besitzen, wir dieses durch ein Markiren desselben ausnützen können, was wir auch im Tonfalle der Sprache thun, bewusst oder unbewusst, ist hier ganz einerlei. Legt man die Hand an den Puls eines Sprechenden, so findet man alsbald, dass alle Silben, die der Betreffende stark betont, stets mit einem Pulsschlage zusammenfallen. Zum Ausnützen dieser Thatsache, insofern als man trachtet, die von der Arse getroffenen Silben consequent an die vor- handene Periode zu binden, liegt nur ein Schritt und wir sind im Besitze der sogenannten gebundenen Rede. Ich Hess, um die Thatsache weiter zu beobachten, eine Person declamiren oder laut lesen, indem ich während dieser Zeit den Puls fühlte, die Uhr betrachtete und auf den Tonfall horchte, schliesslich das betreffende Gedicht einer eingehenden Prüfung unterzog. Diese Scandirungsproben Hess ich stets mehrere Male wiederholen, ohne über den Zweck derselben Aufschluss zu geben. Bei der ersten Lesung wurde die Zeit derselben nötirt, sowie die Anzahl der Pulse gezählt und geprüft, ob sie mit den Arsen synchron sind. Während der zweiten Lesung wurde nur der Puls pro Minute gezählt. Eine dritte Lesung wurde zur Controle der Ergebnisse benützt. Nachträglich nahm ich eine Zählung der Arsen, Silben und Worte vor. Tabelle II zeigt das Ergebniss dieser Beobachtungen. Wir sehen daraus, dass die Perioden des Pulses und jene der gesprochenen Arsen sich decken, da deren Werth der- selbe ist. Die kleine Differenz in den Werthen (Colonne 5 und 6), von je einem Pulsschlag ist nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn diese grösser wäre, würde sie sich durch Pausen, Cäsuren, absichtliche Schwebungen erklären, oder sie wird durch Einbeziehung des ersten und letzten Pulsschlages her- vorgerufen. Eine ähnliche Ungenauigkeit zeigt das Beispiel Nr. 3, bei Lesung des Liedes *Mit dem Pfeil dem Bogen». Indem aus — 37 — den Angaben der Pulsfrequenz und Lesungsdauer (Col. 6 u. 7) die Anzahl der Pulsschläge rechnungsmässig 75 ergeben würde; wogegen wiederholte genaue Beobachtungen stets (Col. 8) 72 aufwiesen. Dieselben correspondirenden Posten bei Beispiel 1 und 2 stimmen hingegen vollkommen. Ich habe diese 3 Beispiele^ obzwar sie Selbstbeobachtungen sind, des- halb hier aufgenommen, weil sie die so ausserordentlich stimmenden Resultate gleich bei der ersten Lesung aufwiesen, obgleich so ziemlich alle Versuche gute und brauchbare Resultate liefern, es aber immerhin vorkommt, dass die Fehler- grenze grösser ausfällt, als in diesen Beispielen. Auffallend ist eine zweite Lesung des «Königs von Thule», welche ich an einem anderen Tage vorgenommen habe. Ich las damals das Lied in 50" (früher in 42) und constatirte nach- träglich, dass der Herzschlag nur 59 pro Minute betrug, was mit der Controlrechnung vollkommen übereinstimmt. Es ist dies ein eclatantes Zeugniss, dass die Geschwindigkeit des Sprechens, so wie der Handlung überhaupt, mit der Energie des Herzschlages im Zusammenhang steht, auf welchen Um- stand ich bereits einmal hingewiesen habe. Selbstverständlich darf man diese Aeusserung nicht miss- verstehen, und sie dahin erklären, dass man bei dieser oder jener Pulsfrequenz genau so und so viele Worte mit der betreffenden coordinirten Geschwindigkeit sprechen müsse. Alle unsere Lebensäusserungen sind bis zu einem gewissen Grade vom Willen abhängig, nur unsere Empfindung ist über die Macht der persönlichen Willensäusserung erhaben. Es handelt sich hier also nur darum, dass unter diesen Bedin- gungen das Sprechen angenehm klingt und weniger an- strengend ist, und dass demzufolge Derjenige, welcher sich an das Gebot des Gefühles hält, die Arse thatsächlich so weit zu verzögern oder zu beschleunigen sucht, dass sie mit dem Perceptionsmaximum zusammenfällt, was ich zu beweisen ge- sucht habe und was aus der Darstellung, welche ich von meinen Beobachtungen gegeben habe, auch hervorgeht. V. Brücke weist unter Anderem auch auf den Umstand hin, dass eine Unregelmässigkeit im Anfange des Verses jedoch höchstens bis nach der zweiten Arse nicht stört, dieselbe Unregelmässigkeit aber in der Mitte höchst unangenehm wirken würde. — 38 - ZNvischen jeder Arse liegen stets zwei bis drei Thesen^ höchst selten mehr; sind nun zwei Silben zwischen zwei Arsen eingeschoben, <_. \^ _f_ ^ ^ _jl_> so ist stets, wie v. Brücke beweist, das Bestreben vorhanden, diese durch Längen öder schwere Silben auszufüllen und erscheint eine mittölzeitige Silbe ]hier noch als kurz, wo sie in einem anderen Versmasse, das drei Thesen zwischen den Arsen ( , ^^ ^-- _'__ ^^ >^) führt, sich bereits als lang und zu schwer fühlbar machen würde. Dies ist auch ganz natürlich. Beträgt z. B. die Puls- frequenz 70 pro Minute, so entfällt auf jede dritte Silbe im ersteren Falle eine Arse, demnach müssen in der Minute 70 Arsen, also circa 210 Silben gesprochen werden, wenn wir die^ZeitJfür Cäsuren, Interpunctationen, Schwebungen auch als' Silben mitrechnen, wie wir es beim «Haideröslein» gemacht haben. Im zweiten Falle kommen auf circa 70 Hebungen 280 Silben. Mithin müssen jambische oder trochäische Tri- meter und Tetrameter (_r_ ^^ >^ _l_ \^ II >^ _a ^^ ^^ oder }^^ _jj ^^ \ -, ,^ _j II v^ >^ .'_ .^ W _^) rascher gesprochen werden als dactylische Verse ( ". _ ._^ ' >^ w u. s. w.). Daher müssen sich, falls gemischte Verse auftreten, die nachfolgenden stets im Zeitwerthe den vorhergehenden anpassen, wodurch erst jetzt der Dichter eine klare Vor- stellung vom Zeitwerthe einer Silbe erhält. Der periodische Werth ist daher auch nur ein relativer. Und jetzt erst wird uns ganz kliar, warum zu Anfang ganz ungleichwerthige Silben nicht stören, während sie nach der zweiten Arse, wo sich die Geschwindigkeit der Sprache bereits dem Masse zu accomo- diren beginnt, störend wirken. , Ich habe Nachforschungen angestellt, ob nicht bereits ein Anderer das Perceptionsmaximum erkannt hätte, fand jedoch nichts Diesbezügliches; wohl kann man aber aus Mach's und Vierort's Arbeiten bekräftigende Schlüsse ziehen. Mach sagt*: «Die Empfindlichkeit ist ein Maximum (für mein [Mach's] Ohr) bei etwa 0*3" oder 0*4" und das eben merkliche ^ (^i® Unterschiedsempfindlichkeit) beträgt 0*05". Mit Vergrösserung und Verkleinerung der Zeit nimmt die UnterschiedsempfindUchkeit rasch ab.» * Mach. Untersuchungen über den Zeitsinn des Ohres. Sitzungsbericht der Ak. d. W. 1865, pag. lU. ~ .39 - Mach hat die besten Resultate bei einer Zeitintervalle von OS?;')" erhalten, indem hier die Unters.chiedsempSndlich- keit auf 0*05" sank. Dies entspricht einer halben Herzsehlag"- intervalle bei 80 Schlägen in der Minute, . Ein anderes Experiment desselben Forschers lehrt bei einer Zeitintervalle von 0*416" eine Empfindlichkeit für Diffe- xenzen von 0*055". Dies ergebe wieder den Werth einer, halben Perceptionsintervalle von 7:5 Schlägen in der Minute, was mit dem Durchschnittswerth der normalen Herzschläge ^ut übereinstimmt. Es ist eben schade, dass Herr Mach bei der Art seiner Untersuchung keine Gelegenheit hatte, seinen Puls zu beobachten. Dass aber die maximale Empfindlichkeit der Zeitein theilung mit dem halben und nicht mit dem ganzen Herzschlage zusammenfällt, hat einen logischen Grund darin, dass bei kleinen Intervallen die Fehlersumme rascher eine bemerkbare Grösse erreicht als bei grösseren Perioden. Dazu kommt, dass der Aortenstoss, wenn wir den Intervallabschnitt von diesem zu rechnen beginnen, an und für sich nicht auf einen Moment beschränkt ist, indem er eine längere Blut- schwankung bedingt und daher eine grössere Fehlergrenze ^ulässt. Ganz ähnlich wie bei Mach sind die correspondirenden Werthe, welche ich aus Vierort's Experimenten herausholte. Vierort* erhält nämlich den IndifFerenzpunkt, bei welchem die Zeiten richtig beurtheilt werden, d. h. weder kleiner noch grösser erscheinen als sie sind, bei circa 1*5", das würde etwa zwei Herzschlägen von je 0*75" Dauer, d. i. 80 Contractionen pro Minute, entsprechen. Der Sinn, welcher in diesen Zahlen liegt, ist derselbe wie jener, der uns aus Mach's Angaben entgegenleuchtet, nur dass hier der Schwerpunkt des Ver- igleiches nicht auf der künstlich gegebenen kleinen Schlag- periode von ^/g Contractionsdauer liegt, sondern auf dem Herzschlag selbst, also benöthigt er, um eine entsprechende bemerkbare Fehlersumme zu erhalten, zwei Herzschläge, so- wie Mach zwei Metronomenschläge zu demselben Ergebnisse benöthigte. Aus seinen Tabellen entnehme ich noch folgende Indiffe- renzpunkte, das sind jene, deren procentueller Fehler am * Vierort. Der Zeitsiim. Laupp. Tübingen 1868. - 40 - geringsten ist. Das Minuszeichen bedeutet, dass die Zeit am klein, das Pluszeichen, dass die Zeit zu gross beurtheilt wurde. Colonne VI zeigt die daraus von mir berechneten muthmass- lichen Pulsfrequenzen während des Experimentes. Zu be- merken ist, dass Herr Vierort das procentuelle Ergebnis» von sechs Versuchen einem solchen von 25 und mehr gegen- überstellt, wodurch sich das Bild der Tabelle coroplicirt und nicht überall stichhältig ist, obwohl seine Arbeit sonst eine bewunderungswürdige ist. Das reine Versuchsergebniss ohne Durchschnitt würde uns im vorliegenden Falle werthvoUer sein* In folgenden zwei Tabellen sind von Vierort's Angaben entnommen: in der I. Tabelle Colonne I — V, in der IE. Tabelle (pag. 41) Colonne I— HI. I. Hauptzeiten II. : in. 1 I Grenze ! Mittel rv. V. VI. N tn 's: VII. 0) I 4) ^ "»'S vni. Bemerkungen 10-1-5" 1-32 0-9 6 91 0-66" 1-5-20'' 1-76 -2 -2 17 68 0-88'^ 1*5- 20" 1-78 -2-8 13 67 0-89" 1-0-1-5" 116 -0-2 25 103 77 i 1 0-58" 1 • 17" Anzahl der Versuche ist au gering Diese Auffassung der Puls- zahl ist unwahrscheinlich. Vierort hat hier zu weni|r Ver- suche von Zeiten über eine Secunde gemacht, daher der Durchschnitt nicht stimmt. Jedoch ist ftir das Mittel das Folgende zulässig : Wenn man> )Vx Herzschläge als Mass nimmt. 1 Schlag k 0-78". Säramtliche vorliegende Werthe sind deshalb etwas schwankend, weil aus Vierort's Aufzeichnungen nicht hervor- geht, wie viel Experimente für jede Zeitintervalle gemacht wurden und welche Resultate sie ergaben. Lehrreicher ist seine Tabelle A, welche ich hier vollständig wiedergebe (s. S. 4I)l Vierort weist wiederholt auf den Umstand hin, dass «kleine» Zeiten stets grosser, «grossere» hingegen kleiner beurtheilt werden. «Der Indifferenzpunkt ist jedoch kein fest- stehender, er variirt bei verschiedenen Individuen zu ver- schiedenen Zeiten; er hängt ausserdem von durch die Ver- suchsbedingungen gegebenen Umständen ab». «Bei verschie- denen Versuchspersonen liegen die Indifferenzpunkte wie folgt: (bei N) 15" (bei H) lA", bei ein und derselben Versuchs- person zu verschiedenen Zeiten: 13", 17", r6", ri2"», welche Zahlen mit der Periode von 2 Herzschlägen gut stimmen. «Bezüglich der Unterschiedsempfindlichkeit zweier Zeit- grössen kommen wir (Vierort) zu denselben Ergebnissen. Von r4'' an nach abwärts nimmt die Empändlichkeit zu und . wird bei OS" noch einmal so gross als bei 1'4'', bei 0-3" scheint ein Wendepunkt zu liegen^. Endlich: *Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich bei einer Reihe von einzelnen Intervallen um die Summirung der Perception handelt und nur als Summe der Intervallenreihe zum Ausdrucke kommt». I ■5 11. H»uptzeiten III. E IV. V. emrallcnde Zeiten der Herzperioden VI. ^'~ hl "^ iUr.^ Bemerkungen | GreoH Miiiel iT^lllpl 1 unl« 0-2b 204 +14-7 2 0-25-0-50 3(S4 + S-^^ '/. 0'392 1 0-364 3 4 0-50-0-7Ö 0'75-HX) 626 850 +129 j^ +111 1 0-784 ' 0-728 HerHchlagporiode fBtlt laischeo S uDd 4 5 1-00-1-25 1 129 + 7-9 IV, 1-176 1-092 Periodm. decken »cb 6 7 1-25-1-50 1-50-1-75 1 365 614 + G-5 1 1'568 1-456 HefHcMagperiodc fallt 8 9 1-75-200 200-2-25 1 2 854 099 + 30 4- 1-7 )- 1» ■■™ HeriKhl. fiUt rw. 8u. D 10 2-25-2'50 2 352 - 0'2 3 2 352 Indifferenzpunl.1 11 3-50-2'75 2 602 + 2-3 }a.,. 2-744 2-biS 12 275-3'00 2 882 - 21 Untersuchen wir nun bei der vorhergehenden Tabelle, in wie weit die äussere Causalität mit der inneren in Beziehung tritt. Es ist wohl wahr, dass während dieser langen Experiment- dauer der Herzschlag mehrere Male variirt haben muss, in- dessen genügen uns die Durchschnittsresultate, wenn sie keine zu eclatanten Differenzen aufweisen. ^ 42 - Wir legen der, Herzintervalle den Zeitwerth zu Grunde, welcher sich aus dem Indifferenzpunkte ergibt. Col. 10 weist diesen auf, u. zw. 2*352" ; es repräsentirt dies, wenn wir diese Periode im obigen Sinne als Summation auffassen, eine Folge von 3 Herzschlägen, also 2.352'' = 3 Schläge ä 0784". Wenn wir nun daraus die Werthe von einem halben zu einem halben Herzschlage berechnen, finden wir die in der 6. Zahlenreihe verzeichneten Resultate, welqhe mit den Zahlen der 3. Reihe, dem Mittelwerthe, mehr oder weniger übereinstimmen. Ver- gegenwärtigen wir uns das Gesetz, dass «kleinere> Zeiten stets grösser erscheinen, als sie reell sind, so bemerken wir, dass dies nur seinen Grund in der Relation auf das indivi- duelle Zeitmass, d. i. den Herzschlag, Bezug haben kann; und so sehen wir auch sämmtliche Metronomzeiten bis auf jene der Col. 12 kleiner als die jeweilig correspondirende Herzperiode, resp. deren Summe; weshalb auch der procen- tuelle Fehler überall den (+) Plus - Charakter, wogegen die fragliche 12. Post ein Minusresultat aufweist. Wollten wir versuchen, eine andere Herzschlagperiode zum Vergleiche heranzuziehen, so ist das Resultat kein so befriedigendes. Ich habe daher, um dies zu zeigen, in der 7. Reihe der Perioden die Werthe der Col. 2 zu Grunde gelegt, da — um 0*3'' stets die grosste Empfindlichkeit für kleine Zeitdifferenzen liegt. Hier beobachten wir bereits bei Col. 5 einen Fehler, bei Col. 8 einen ebensolchen, da, falls der Durchschnitt einer Herz- periode mit 0*728" gerechnet würde, jene Posten einen (— ) Minusfehler zeigen sollten, was jedoch nicht der Fall ist. Diese Analysen genügen und beweisen zugleich die Richtigkeit des von mir gefundenen Perceptionsmaximumis und die damit Hand in Hand gehende Begriffsbildung der Zeit. In wie weit der Herzschlag durch das Sprechenhören beeinflusst wird, habe ich nicht in Untersuchung gezogen, jedoch fand ich, dass nach Verlauf einiger Zeit die Puls- frequenz des Zuhörers mit jener des Sprechers übereinstimmt, namentlich wenn erster er sich für das Thema interessirt, oder von letzterem beherrscht wird. So constatirte ich einmal nach einem animirten Gespräch von ca. 15 Minuten Dauer^ bei welchem sich 4 Personen betheiligten, bei drei derselben durchgehends 72 Schläge, bei der 4. Person hingegen aller- dings nur 67. Diese letzte Person ist mir aber als langsam — 43 — Und stille bekannt und hat gewohnlich nur eine Pulsfrequenz von 60 Schlägen. Das hohe Alter (68 Jahre) mag ebenfalls dazu beigetragen haben, dass sich ihr Organismus schwerer äusseren Einflüssen accommodirte. Dass die Sprache, sowie die Tonempfindung überhaupt •den Herzschlag modificirt, geht schon aus dem Umstände hervor, dass es bereits Schopenhauer bemerkt und darauf aufmerksam macht, dass der Nervus auditorius das VII. Nerven- bündel ist und zwischen den Enden der Brücke und dem Rückenmarke entspringt, wo gerade eine Reizung genügt, um den ganzen Herzapparat zu beherrschen. Er citirt zu diesem Zwecke auch, wie ein plötzliches Geräusch augen- blicklich einen Stillstand oder eine Verzögerung in dessen Thätigkeit hervorruft, so dass der ganze Gedankengang be- -einflusst wird. Die neuesten Forschungen haben den Zusammenhang des Nervus auditorius mit dem Hemmnerve des Herzens bereits constatirt und hat demzufolge das von den Schamanen geübte «Heilverfahren» mittelst Musik, recte Tamtamschlägen, auf welches ich hingewiesen habe, insoferne eine Berechtigung, als es sich als Beeinflussung des Organismus darstellt, was im Principe von jedem Heilverfahren gilt, richtiger gelten soll. Die schon erwähnte Untersuchung Dogiers* gibt diösbe- züglich manche dankenswerthen Aufschlüsse, indem der Ver- fasser sich zur Aufgabe macht, nachzuforschen, was an der Behauptung des Pythagoras, dass «die Musik bei der Heilung verschiedener Krankheiten nütze», richtig sei. Der Kern der Frage liegt in der Beeinflussung des Körpers durch das Ohr. Von den durch Dogiel angestellten Versuchen will ich hier einige citiren. «Versuch I (pag. 420). Behufs Feststellung des Blutdruckes und der Zahl der Herzschläge war die Carotis eines kleinen Rattenpintschers mit dem Manometer des Kymographions verbunden. Die Zahl der Herzcontractionen in der Zeiteinheit {10") wurde mittelst eines Chronometers bestimmt. Der Gehör- sinn wurde durch Pfiffe erregt. * Archive für Physiologie und Anatomie. 1880, pag. 416. Dogiel über den Einfluss der Musik auf den Blutkreislauf. 44 Zahl der Herzschläge Blutdruck in Millimeter Hg. Bemerkungen vor während sogleich nach vor während sogleich nach Erregung des Gehörsinns Erregun g des Gehörsinns 20 35 32 23 40 39 22 37 37 130 178 204 204 222 214 128 210 214 1 1 1 1 Das Thier verhält > sich ruhig, unver- ) giftet Curare, künstliche Athmung, hierauf 0001 Strych- nin durch die Vena saph. Anfane des Versuches nach Ver- lauf von 10''. Die weiteren Versuche Dogiers geben Resultate von ganz gleichem Sinne, und so fasst er das Experimentergebniss- an Thieren wie folgt zusammen : «An diesen wenigen Beispielen ersieht man, dass bei Thieren die Gehorerregung von Schwankungen im Blutkreis- laufe begleitet ist und dass die letztere Erscheinung ebenso von der Hohe und Kraft des Tones wie von der Klangfarbe in Abhängigkeit steht.» Die Schlussconclusionen Dogiel's, welche sich mit meinen. Beobachtungen decken, lauten: 1. Die Musik zeigt einen Einfluss auf den Blut- kreislauf sowohl beim Menschen, wie bei den Thieren. 2. Der Blutdruck steigt bald, bald fällt er. Diese Schwan- kungen des Blutdruckes hängen vorzüglich ab von dem . Einfluss der Gehörerregung auf das verlängerte Mark,, welches allem Anscheine nach mit den Gehörnerven in Verbindung steht. 3. Die Wirkung von musikalischen Tönen und. Pfiffen auf Thiere und Menschen äussert sich meist durch Beschleunigung der Herzcontrac- tionen. Folglich arbeiten die automatischen Herz- centra kräftiger. 4. Die Schwankungen des Blutkreislaufes infolge des- Musikeinflusses stimmen mit den Veränderungen in der Athmung überein, obgleich sie auch für sich unabhängige von der Athmung beobachtet werden können. — 45 - ö. — 6. für uns unwesentlich und handeln über Narkose u. s. w. 7. Die Schwankungen im Blutkreislaufe sind ab- hängig von der Hohe und Kraft des Tones und von der Klangfarbe. 8. Bei diesen Schwankungen des Blutkreislaufes spielt die Individualität des Thieres und des Menschen, wie die Nationalität des letzteren eine bedeutende Rolle. Diese Forschungsresultate Dogiel's unterstützen und be- kräftigen meine Experimentergebnisse und Schlüsse ganz ausserordentlich und wenn ich den Beweis einer typischen Beeinflusisung des Herzschlages durch das Ohr auch auf eine ganz andere Weise an anderem Orte begründen werde, ge- nügen uns hier Dogiel's Beobachtungen vollständig. Wenn die früher erwähnte typische Modification des Herzschlages zur Kenntniss einer Lautreihe führt, so muss die durch das Ohr erzeugte Rückwirkung einer Schallreihe ergänzend sein und der Schlüssel zum Aufbaue des mit dem Worte verknüpften physio-psychologischen Vorganges ab- geben. Dass die Musik die Periode ebenso ausnützt, wie die Dichtkunst, liegt in der Natur der Sache, nur dass hier noch der Werth der Tonhohe und der Arbeit, welche bei jedem Tone geleistet wird, zur vollen Geltung kommt. Wie schon im Eingange erwähnt, ist der Uranfang der Musik in rhyth- mischem Schlagen der Trommel zu suchen ; daran knüpft sich mit der Erziehung der Sinne das, was wir heute Musik nennen. Betrachten wir die so hinreissend schöne Romanze Schuhmann's (Op. 124 Nr. 11) so kommen wir, etwa in der dritten und vierten Zeile, zu einer Reihe von Tacten, in welchen ein Ton periodisch hervortritt Die Wirkung ist er- schütternd, denn diese Periode ist dem Durchschnitt der Herz- schlagperiode gleich. Zum Schlüsse muss ich noch auf einige Einwürfe ant- worten, welche ich bereits mehrere Male gehört habe und die sich gewiss mancher Leser selbst auch formulirt haben dürfte. Nämlich man könnte meinen, falls die Intervallen des Pulses und der Arse thatsächlich dieselben wären, aber diese nicht mit dem Perceptionsmaximum zusammenfallen würden, so könnte dadurch der ganze Effect verwischt werden, was aber doch nicht der Fall ist. Diese Voraussetzung wäre - 46 — nicht ganz stichhältig, denn falls das Mass da ist, ist es ganz einerlei, von welchem Punkte ich zu messen beginne. Es. fiele dann jede Arse mit einer correspondirenden Stelle der Puls- welle zusammen, was theoretisch auf eins herauskäme. Die weitere Bemerkung wäre, dass falls die Pulsintervalle deä Zuhörers mit dem Arsenintervalle nicht isochron sei, könnte dieser den Eindruck der Intervalle und deren regelmässige Beurtheilung verlieren, wogegen der Fall doch nicht stich- hältig wäre. Diese Bemerkung ist an und für sich zutreffend,, nur würde Derjenige, der sie macht, vergessen, dass er jeden- falls in sich, durch das Vorhandensein der inneren Periode ein Mass besitzt, mit welchem man eben eine zweite äussere Periode in Relation bringt, wodurch selbst, wenn sich der Herzschlag nicht accommodiren würde, eine Beurtheilung der Periode doch eine natürliche Folge wäre. Allerdings müssten wir zugestehen, dass in diesem Falle der Zuhörer von dem Gehörten nicht so angenehm berührt wird, als wenn die Perioden einander vollkommen decken. Schliesslich liegt die Meditation nahe, dass z. B. alle Zuhörer im Concerte oder im Theater, die selbstverständlich unter der Wirkung des Gehörten stehen, auch sämmtlich die gleiche Pulsfrequenz erreichen müssten, was aber doch eine etwas vage Voraussetzung, resp. Behauptung wäre. Dieser Punkt ist etwas verfänglich, jedoch muss man sich vor Augen halten, dass der sogenannte Enthusiasmus z. B. im Concert- saale ein sehr zusammengewürfeltes Ding sei. Die Motive des Concertbesuches sind nicht immer rein musikalisch, ein Jeder hat so ziemlich nebenbei ein gewisses Sonderinteresse, jeder hat eine andere Individualität, Sensibilität und ein anderes Accommodations- Vermögen. Wir müssen uns hier wie die Statistik, an Durch- schnittswerthe und an Durchschnittsmenschen halten. Der Herzschlag wird jedenfalls durch das Hören beeinflusst und so ist das Durchschnittsergebniss auch massgebend für den Erfolg. Der Künstler, der vorzutragen hat, muss sich eben nach dem Publikum richten, und dieses in eine gleichartige Stimmung zu versetzen wissen. Er muss den Durchschnitts- werth der Civilisation, Bildung, Capacität und Geistesrichtung zu beurtheilen verstehen und danach sein Programm wählen; dann nur gelingt es ihm, die Meisten zur Aufmerksamkeit — 47 - zu nöthigen, und unter dem Banne seines Vortrages zu halten.. Dann dürfte man auch finden, dass sich der Durchschnittswerth, jener Periodität dem «theoretischen Werthe» am meisten, nähert. Bei der Erziehung der Sprache sollte auf die natürliche Intervalle stets Rücksicht genommen werden. Ein Fühlen« des Pulses ist dabei nicht eben nothwendig, wohl aber das^ Gewöhnen des Ohres, die Intervalle richtig zu beurtheilen^ und sie beim Sprechen einzuhalten. Erreichen kann man dies nur durch lautes Lesen und durch Sprechübungen, wobei man. sich gewöhnt, möglichst schön zu betonen, d. h. so zu betonen, dass es wohl klingt, das ist der beste Beweis, dass die Arse auf dem richtigen Fleck sitzt. Wir Modernen üben unsere Sprache zu wenig, wir ge- wöhnen unser Ohr nicht zur consequenten Ausnützung seiner Eigenthümlichkeit und erziehen daher auch weder eine wohl- klingende, noch eine weiche Sprache. Wir Deutsche — ich meine Oesterreichisch-Deutsche — vernachlässigen unsere Sprache in einer ganz gewissenlosen^- Weise und scheint man in der Schule keine Zeit zu haben, sich mit der Pflege der Organe, welche die Sprache erzeugen und vermitteln, zu befassen, was übrigens Niemanden wun- dern darf, da wöchentlich nur zwei- bis dreimal deutsch ge- lehrt wird. Man behauptet, Griechisch sei die schönste Sprache ; dies ist insofern sehr wahrscheinlich, als die Griechen zwar nicht viel, aber stets laut lasen, wogegen wir es gerade umgekehrt machen. Dazu kommen noch allerlei andere Umstände, z. B. haben Jene Volksdichtungen besessen, welche thatsächlich Gemeingut waren — diesen steht bei uns Colportageliteratur gegenüber. Jene haben eine wirkliche Volksgeschichte be- sessen ' — wir lehren unseren Kindern einen trockenen Kriegs- katalog und Successiontabellen, dort musste das Kind wirklich griechisch sprechen, bei uns darf es jeden Dialect «Deutsch» nennen. Die einheitliche und schöne Sprache ist einer der mäch- tigsten Hebel, um den Bürgern die Zusammengehörigkeit mit dem Staate beizubringen. Ich weise auf Deutschland hin. Wo immer Menschen leben, was für Zeiten auch noch kommen mögen, von wie viel der Mensch sich auch mit dem - 48 — Fortschreiten der Uebercivilisation wird losreissen müssen, ^e. auch immer die sociale Frage, die Armuth, das Elend und die damit verbundene Mittelmässigkeit und moderne Weibersclaverei überhand nehmen mag; wie viel Opfer die Ethik und Moral durch das Fortschreiten der Frauenarbeit und der dadurch hervorgerufenen Massendegeneration unseres